Milton-Erickson-Hypnoseinduktion
„Ich erinnere mich gerade an einen guten Freund von mir, sein Name war John ...“
So begannen viele Sitzungen einer der größten Hypnoselegenden: Milton H. Erickson. Diese ganz spezielle Art der Hypnoseinduktion ist deshalb bekannt geworden als „Mein Freund John“-Induktion und ein Paradebeispiel für die permissive, indirekte Art und Weise, Hypnose zu induzieren.
Milton Erickson gilt als einer der legendärste Hypnotiseure aller Zeiten. In der Hayward Avenue im heiß-trockenen Phoenix, Arizona, arbeitete und lebte der Hypnotiseur - und vollbrachte so einige Wunder dort. Am bekanntesten ist heute sein indirekter Hypnosestil - obwohl er auch genauso gerne und gut direktiv hypnotisieren konnte.
Und so funktioniert die Induktion: Anstatt dem Klienten direktive Befehle zu geben (Schließe deine Augen, atme tief und gleichmäßig, fühle dich vollkommen wohl, dein Arm ist ganz schwer, gehe jetzt tief in Trance ...), auf die der Klient sehr leicht mit bewusstem Widerstand reagieren kann („aber ich fühle mich noch überhaupt nicht wohl!“ -> „... mhm, das funktioniert doch alles nicht ...“), werden die Wirksuggestionen in eine Geschichte eingebettet, in dem anhand einer dem Klienten nicht bekannten Person bis ins letzte Detail beschrieben wird, wie diese Person eines Tages in eine tiefe Trance gegangen ist.
Der Kunstgriff der Induktion besteht in der Tatsache, dass es sich erstens um eine rein fiktive Geschichte handelt, und zweitens fabuliert der Hypnotiseur die Geschichte anhand wahrnehmbarer Reaktionen seitens des Klienten zusammen. Wenn der Klient etwas skeptisch lächelt, hat auch John „seltsam gelächelt und sich über dieses Gefühl tiefer Ruhe und Entspannung in den Lippen gefreut, das er wahrnehmen konnte“. Wenn der Klient erste Anzeichen von Trance zeigt, wie z.B. einen etwas schnelleren Lidschlag, hat eben auch John „gemerkt, wie seine Augenlider plötzlich zu blinzeln begannen ... und sich gefragt, ob das wohl ein erstes Anzeichen von Trance sein könnte ... während er sich dann viel lieber wieder auf die Entspannung in seinen Augen konzentriert hat und vermutlich versucht hat, herauszufinden, ob er diese Entspannung selbst irgendwie noch steigern kann“.
Mit etwas Übung können Sie diese Induktion nutzen, um mitten aus dem Gespräch heraus zu hypnotisieren. Selbstverständlich sollte dies nur unter vorheriger Einwilligung des Klienten geschehen! Hier beißt sich die Katze ein wenig in den eigenen Schwanz, denn wenn Sie zuerst fragen, ob „Sie denn jetzt hypnotisiert werden wollen?“, ist es viel zu offensichtlich und „gewollt“, mit der My friend John-Induktion fortzufahren. Aber: Einen Klienten, mit dem Sie schon einige Sitzungen absolviert haben, können Sie auf diese Art und Weise äußerst eindrucksvoll demonstrieren, wie er auch während eines scheinbar gar normalen Gesprächs unkompliziert eine schöne Trance gleiten kann. Oder Sie zeigen einem Hypnosekollegen einmal, wie leicht und indirekt er eine Hypnose genießen kann ... In jedem Falle sollte die Einwilligung entweder explizit oder aus dem Kontext heraus bestehen, ansonsten wäre ein Einsatz der „Mein Freund John“-Induktion in höchstem Maße unethisch und würde garantiert anschließenden, vollständigen Rapportverlust nach sich ziehen.
Meisterhaft hypnotisieren: Die Milton-H-Erickson Hypnoseinduktion
Sie haben Hypnose ja schon einige Mal erlebt, aber vor Kurzem hatte ich einen Freund hier zu Besuch, der das mit der Hypnose unbedingt ausprobieren wollte ... um zu erfahren, wie es sich anfühlt, richtig tief in Trance zu gehen ...
Und genauso wie Sie saß er auch auf dieser Couch und schaute mir tief und erwartungsvoll in die Augen, voller Vorfreude auf einen wundervollen Zustand, in dem man sich wohl und geborgen fühlen darf ...
Ich bat ihn darum, sich einige Augenblicke auf seine Atmung zu konzentrieren, um bei jedem Einatmen RUHE einzuatmen ... und um bei jedem Ausatmen VERSPANNUNG einfach auszuatmen, loszulassen, freizuwerden ...
<Hypnotiseur lächelt> Genau ... wie Sie auch, lächelte mich Thomas an, ... <Pause> ... und ich sagte zu ihm: „Konzentrier dich jetzt auf dieses herrliche Gefühl, das deine Lippen durchdringt, wenn du lächelst ... diese Ruhe und Entspannung und dieses vollkommen Wohlgefühl in deinen Lippen ...
... während das Lächeln ganz allmählich in eine unglaublich tiefe Ruhe und Entspannung überschwappt ...
... und ich habe ihn dann darum gebeten, sich so lange auf seine Atmung zu konzentrieren, bis er GANZ DEUTLICH SPÜREN KANN ... wie sehr er sich schon entspannt hat ... um mit jedem EIN-atmen tiefer und tiefer zu gehen ... die Augen und die Augenlider zu entspannen ... die Augenlider immer schwerer werden zu lassen ... schwerer und schwerer ...
... was ein sicheres Zeichen dafür ist, dass du gleich in eine Tiefe Trance gehen wirst ... sagte ich zu ihm ...
... und wenn du möchtest, kannst du deine Augen jetzt ganz einfach schließen, um einen unglaublich tiefen Zustand von Ruhe und Wohlbefinden zu entdecken ... schließ jetzt einfach deine Augen ...
Nun kann entweder direktiv fortgefahren werden, oder der indirekte Kontext wird aufrecht erhalten (z.B. durch „Und ich erzählte ihm dann, ...“); je nach Geschmack und Vorliebe des Klienten.
Für den seltenen Fall, dass ein Klient überhaupt nicht auf diese Reaktion reagiert, kann der Hypnotiseur einen eleganten Schwenker machen: „Nun, ich führte ihn dann in eine tiefe Trance, wobei wir ja wissen, dass jede Hypnose eigentlich eine Selbsthypnose ist und er sich in Wirklichkeit selbst hypnotisiert hat, während ich einfach sein Begleiter war. Nun würde ich auch Sie gerne in einen solchen Zustand hinein begleiten, wenn Sie möchten. Haben Sie Lust darauf? Dann lassen Sie uns gleich beginnen ...“ .
Nun können Sie mit einer beliebigen anderen Induktion fortfahren. Geben Sie aber bitte nicht zu früh auf – teilweise kann eine Induktion à la Erickson auch schon einmal zehn oder zwanzig Minuten dauern, und entfaltet dann eine umso stärkere Wirkung. Natürlich ist es eine Herausforderung, fast völlig frei, ohne Netz und doppelten Boden mit einer Induktion zu arbeiten, die Sie im Vorfeld nicht auswendig lernen können. Wenn Sie jedoch den Mut fassen, sie häufiger auszuprobieren, bis sie sitzt, werden Sie mit der Beherrschung einer der elegantesten, wirkungsvollsten und schönsten Induktionen belohnt!
Ein paar wichtige Punkte zur Milton H. Erickson Hypnoseinduktion
- „John hat“ (Klientenzustand einfügen, z.B. „mich sehr konzentriert angeschaut“), „bevor John“ (Zielzustand einfügen, z.B. „damit begann, sich auf eine tiefe und heilsame Trance vorzubereiten“).
- Widerstände treten kaum auf, da der Klient Suggestionen nicht bewusst wahrnimmt und daher auch nicht bewusst negieren kann; auf ein „Du fühlst dich vollkommen entspannt“ wird er vielleicht denken „Nein, ich bin noch sehr angespannt – ach, die Hypnose scheint bei mir nicht zu funktionieren“. Aber bei dem Satz „Und ich fand es sehr spannend zu beobachten, wie sich seine Muskeln nach und nach entspannten“ kann kaum bewusste Abwehr auftreten, da der Klient nicht direkt angesprochen wird
- Utilisieren: Nützliches nutzbar machen
- Ressourcen: Alle bereits vorhanden
- Fehler? Gibt es nicht! Alles ist Feedback.
- Manche Menschen, …
- Vielleicht, …
- Es würde mich nicht wundern, wenn …
- Es könnte sein, dass …
- Verkettung Truismen + Suggestion (Während du meine Stimme hörst und entdeckst, wie einfach du dich entspannen kannst …)
- Genau wie du XYZ (saß, schaute mich an etc.) auch John, um festzustellen, wie …
- Für direkte Suggestionen: „Und dann habe ich zu ihm gesagt <ZITAT>“.
Formulierungen für die indirekte Induktion nach Erickson
- Manche Menschen, …
- Vielleicht, …
- Es würde mich nicht wundern, wenn …
- Es könnte sein, dass …
- Verkettung Truismen + Suggestion (Während du meine Stimme hörst und entdeckst, wie einfach du dich entspannen kannst …)
- Genau wie du XYZ (saß, schaute mich an etc.) auch John, um festzustellen, wie …
- Für direkte Suggestionen: „Und dann habe ich zu ihm gesagt <ZITAT>“.
Mythos Milton H. Erickson: Die lebenden Metaphern
Entgegen der häufig anzutreffenden Meinung, Erickson hätte lediglich sanft und indirekt hypnotisiert, beherrschte Milton jedoch auch direktive Hypnoseverfahren - und nutzte diese gerne und häufig. Zudem arbeitet der Meister der Hypnose sehr gerne mit "lebendigen Metaphern" - zum Beispiel, in dem er seine Schüler und Patienten gerne auf den Gipfel des Squaw Peak Berges schickte, der mittlerweile in Piestewa Peak Mountain umbenannt wurde. Auf dem beschwerlichen Anstieg sollten man seinen eigenen Ressourcen näher kommen und "etwas über sich selbst herausfinden".
Milton H. Erickson - sein Erbe, seine Legende
Das Haus, in dem Milton H. Erickson mit seiner Familie wohnte, nutzte er zugleich als Arbeitsstätte. Die Schulungen Ericksons fanden in einem vergleichsweise sehr kleinen Raum statt, was der Qualität jedoch keinen Abbruch tat. Ganz im Gegenteil: Wer damals die Gelegenheit hatte, Ericksons Arbeit und Wirken wenigstens eine Woche lang beiwohnen zu dürfen, schwärmt noch heute davon! Erickson verstarb 1980 im Alter von 79 Jahren. Heute gibt es jedoch noch einige Zeitzeugen, die den Zauber von Erickson aus eigener Erfahrung rekonstruieren können. Dazu zählen die Therapeuten Ernest Rossi und Jeff Zeig. Aber auch Robert Erickson, einer der Söhne Milton H. Ericksons, hat so einiges aus dem Nähkästchen zu erzählen. Zum Beispiel, wie Milton H. Erickson selbst der Kult um seine Person zu Lebzeiten zuwider war. Dass Erickson eben NICHT der supersanfte Hypnotiseur war, zu dem er heute hochstilisiert wird - sondern auch durchaus "zackige" Induktionen sowie Interventionen anzubieten hatte.