Der sichere Ort
Der sicherere Ort ist eine sehr beliebte Standardintervention, die nicht nur in der Hypnotherapie genutzt wird, sondern überall dort, wo es sinnvoll ist, dem Klienten einen jederzeit erreichbaren, seelischen Rückzugsort zu bieten. Ein solcher Sicherheitsanker bietet sich geradezu ideal bei der Arbeit mit traumatisierten Klienten an, kann jedoch in auch vielen anderen Fällen gewinnbringend eingesetzt werden:
- als jederzeit verfügbarer Sicherheitsanker bei abreaktiv orientierten Therapien
- wenn zu starke Affekte temporär abgeschwächt werden sollen, um z.B. eine bestimmte Intervention durchführen zu können
- holt aus evtl. traumatischem Erleben zurück ins Hier und Jetzt, wenn der Hypnotiseur mit der Situation überfordert ist oder wenn mit dem Klienten vereinbart wurde, kein aufdeckendes Arbeiten durchzuführen
- Wohlfühlort (sicherer Ort oder sicherer Raum), den der Klient in Eigenverantwortung z.B. auch in seine eigene Arbeit mit Selbsthypnose einarbeiten kann
Es gibt drei Möglichkeiten, den sicheren Ort zu kreieren:
- vor weiteren Interventionen im Monolog per Suggestion
- vor weiteren Interventionen im Dialog
- während einer laufenden Intervention, in denen der Klient aus einem traumatischen Erleben geholt werden soll; meist im Monolog, der wahlweise auch in einen Dialog wechseln kann
Bei allen drei Vorgehensweisen nutzen wir dem Klienten gegenüber nur bedingt den Begriff „sicherer Ort“, sondern „dein spezieller Ort“, dein „Rückzugsort“, oder „dein Wohlfühlort“. Dafür gibt es zwei Gründe: Zum Einen weckt der Begriff „sicherer Ort“ oftmals Assoziation mit den gerade im US-amerikanischen sehr beliebten „Safe Rooms“, die im Deutschen Panikraum genannt werden. Zum Anderen suggeriert der Begriff „sicherer Ort“, dass es während der Sitzung „unsicher“ werden könnte – und diese Assoziation wollen wir tunlichst vermeiden. Gehen Sie hier nach Gefühl – und dem Eindruck, den Sie von Ihrem Klienten gewonnen haben.
Sicheren Ort erschaffen: Vor der Intervention & im Monolog
„Und ich möchte jetzt, dass du deine Gedanken hin an einen wunderschönen Ort gleiten lässt ... einen Ort, den du vielleicht kennst, aber viel wahrscheinlicher noch an einen Ort, den du nicht kennst und den du jetzt in deinem Geist kreierst, und der dir auf eine wahnsinnig wohltuende Art und Weise sehr vertraut scheint ... vielleicht an einem Strand, oder Wald, oder sonstwo in der freien Natur ... oder ganz wo anders ... (immer sehr lange Pausen lassen – der Klient braucht Zeit, um die inneren Bilder und Gefühle entstehen zu lassen!) ... vielleicht am Morgen, oder Mittag, oder während einer atemberaubenden Abendröte ... ein Ort, den du jetzt in deinem Innersten genauso ausschmücken kannst, wie es sich für dich am stimmigsten anfühlt ... und wo du ganz alleine, nur für dich bist, und dich deshalb vollkommen geborgen, wohl aufgehoben und dir selbst ganz nah fühlst ... ganz nah an deinen Ressourcen, an deiner ureigenen Energie, an der Quelle deiner Selbst ... und jetzt spürst, wie dieses Gefühl von Geborgenheit, Vertrauen und Sicherheit sich nicht nur über deinen gesamten Körper legt, sondern auch deine Seele berührt ... und du dich dort an deinem ganz speziellen Ort vollkommen wohl fühlst ... schau dich ganz genau um dort, wobei es keine Rolle spielt, ob du die Dinge sehr lebendig erlebst oder eher wie eine Erinnerung oder ein, zwei Gedanken ... vielleicht kannst du dir vorstellen, was es dort zu hören gibt ... oder du genießt den herrlich-beruhigenden Klang der Stille ... ich lasse dir nun ein wenig Zeit, um diesen Ort mit allen Sinnen so auszuschmücken, dass er sich vollkommen beruhigend, wohlig und geborgen für dich anfühlt ... während du mit den nächsten Atemzügen automatisch nicht nur tiefer in diesen angenehmen Zustand, sondern auch in das Erleben dort eintauchst ... (längere Pause machen) ... sehr gut! Und in Zukunft wirst du immer dann, wenn du selbst es möchtest oder wenn ich dich darum bitten werde, sofort wieder an diesen Ort zurückkehren können ... du wirst dann einfach an diesen Ort denken, und wieder mit deinem ganzen Erleben hin an diesen Ort zurückkehren können ... und sofort wieder die gleichen Gefühle dort erleben dürfen ... diese wohlige Geborgenheit, dieses vertraute Gefühl, diese vollkommene Sicherheit ... und um diesem Ort einen Namen zu geben, können wir ihn einfach deinen „Wohlfühlort“ nennen, wobei du ihm natürlich auch jeden beliebigen anderen Namen geben kannst ... so dass immer dann, wenn ich dich in Zukunft darum bitte, an deinen Wohlfühlort zurückzukehren, du sofort wieder dorthin zurückkehren kannst und augenblicklich wieder zurück in dieses schöne, wohlige, angenehme Gefühl tauchen kannst ... dorthin, wo deine Seele baumeln und deine Energie sich positiv sammeln kann ... dort an diesem speziellen Ort, wo dein Unterbewusstsein wertvolle Ressourcen für dich entfaltet und dir dabei hilft, dich wohl, geborgen und perfekt aufgehoben zu fühlen ...“
Es ist sehr wichtig, dass die Suggestion sowohl einen Hinweis darauf enthält, dass der Klient allein ist, als auch darauf, dass er sich sehr geborgen fühlt. Ansonsten besteht die Gefahr, dass der Klient nahe Bezugspersonen mit an seinen sicheren Ort visualisiert, die in Verbindung mit einem verdrängten Trauma stehen können. Wenn der Klient dann traumatisches Material erinnert, wird der sichere Ort seine Aufgabe nicht mehr adäquat erfüllen können. Diese Gefahr vermeiden wir, in dem der Klient nur allein an seinem sicheren Ort sein darf.
Aktivierung des sicheren Orts:
Wenn es nötig wird, den Klienten an den sicheren Ort zurückzuführen, kann folgender Text hilfreich sein:
„Und ich möchte jetzt, dass du an deinen Wohlfühlort zurückkehrst ... lass deine Gedanken einfach dort an diesen für dich sehr speziellen Ort hin zurückgleiten, wo du dich vollkommen sicher und geborgen fühlst ... diesen Ort, den du jetzt immer mehr mit allen Sinnen erleben kannst und sofort oder nach und nach und jetzt immer mehr dieses Gefühl von Geborgenheit, Sicherheit und Schutz in dir aufkeimen spürst ... so dass du alle anderen Gefühle ganz weit hinter dir lassen kannst ... verblassen lassen kannst ... während dein Unterbewusstsein alle für dich nötigen Ressourcen mobilisiert, um dieses Gefühl von Geborgenheit, Schutz und Geborgenheit in dir entstehen zu lassen ... jetzt immer stärker und stärker, während alle anderen Gefühle, die du jetzt hinter dir lassen möchtest, immer schwächer und blasser werden können ...“
In sehr seltenen Fällen kann es nötig werden, den Klienten noch engmaschiger aus traumatischem Erleben heraus zu begleiten. Dies könnte mit folgenden Worten geschehen:
„OK, und dein Unterbewusstsein weiß ganz genau, wie es dir jetzt dabei helfen kann, dieses Gefühle ganz allmählich wieder verblassen zu lassen ... du bist hier bei mir, vollkommen geschützt und gut aufgehoben, spürst deine Füße und die Beine auf dem Boden ... konzentrier dich jetzt bitte auf deine Füße und die Art und Weise, wie sie den Boden berühren (oder: „auf der Liege liegen“, je nach Situation) ... du spürst den Boden unter deinen Füßen und weißt, dass du im Hier und Jetzt bei mir in meiner Praxis bist ... und kannst diese Gefühle JETZT loslassen, lass sie einfach los und erlaub dir selbst, dich wieder vollkommen im Hier und Jetzt zu orientieren ... zu fokussieren ... und nicht nur den Boden unter deinen Füßen zu spüren, sondern dich einige Augenblicke auf deine Atmung zu konzentrieren ... atme einfach allen Ballast aus ... im Hier und Jetzt, ganz sicher und geborgen, ganz genau ....“
Bei sehr heftigen Abreaktionen während einer Trance gibt es eigentlich nur einen Fehler, den man machen kann: Selbst Panik bekommen oder die Nerven verlieren! Die eigene Sicherheit überträgt sich automatisch auf den Klienten – Unsicherheit aber genauso. Sollten Sie also jemals in eine Situation kommen, in der Sie sich überfordert fühlen, können Sie Ihrem Klienten einen großen Gefallen tun: Lassen Sie es sich nicht anmerken und versuchen Sie, so sicher wie möglich zu wirken, während Sie Ihren Klienten achtsam und sorgsam aus der für sie oder ihn traumatischen Situation begleiten.
Sicheren Ort erschaffen: Vor der Intervention & im Dialog
Anstatt den Ort nur zu beschreiben, lassen Sie ihn von Ihrem Klienten nach den ersten, einführenden Worten selbst beschreiben. „Wo bist du?“, „Was nimmst du dort wahr?“, etc.
Sicheren Ort erschaffen: Während der Intervention
„Und ich möchte jetzt, dass du deine Gedanken weg vom jetzigen Erleben, hin an irgend einen sehr speziellen Rückzugsort gleiten lässt, an dem du dich vollkommen wohl fühlen wirst ... einen Ort, den du mit allen Sinnen ausschmücken darfst, ein Ort, an dem du dich geborgen und sicher fühlen wirst ... ein Ort, der vielleicht nur in deiner eigenen Vorstellungskraft existiert und sich sehr vertraut, sicher und geborgen anfühlt ... „; anschließend sinngemäß mit der „Aktivierung des sicheren Orts“ fortfahren, gegebenenfalls bei starken Gefühlsausbrüchen auch, wie bereits beschrieben, erden (den sicheren Boden unter den Füßen spüren, auf Atmung konzentrieren, sich im Hier und Jetzt fokussieren ...)