Fünf hypnotische Werte: Die Ehrlichkeit

Ehrlichkeit ist ein (hypnotischer) Wert, der vielfältige Aspekte umfassen kann. Fähige Hypnotiseur wissen um die Wichtigkeit, in allererster Linie mal mit sich selbst schonungslos ehrlich zu sein: Wie gut ist meine Leistung, wie gut war die heutige Sitzung, wo hätte ich was anders machen können, wo besteht noch Optimierungsbedarf? War die Induktion zu kurz oder lang, war meine Stimme nicht kraftvoll genug für die Dauer der Trance, war meine Aufmerksamkeit nicht so zu 100% bei meinem Klienten, wie dies der Fall sein sollte?
Feedback is the Breakfast of Champions heißt es so schön - gutes, konstruktives Feedback zieht uns nicht runter, sondern inspiriert und beflügelt uns, weil wir wissen, nur dadurch noch besser werden zu können. Voraussetzung, uns selbst Feedback geben zu können ist allerdings eine recht ausgeprägte Ehrlichkeit uns selbst gegenüber: Ein Narzisst findet an sich selbst überhaupt keinen Makel. Und jemand mit einer Selbstwertstörung wohl ausschließlich Dinge, die mit ihr oder ihm nicht in Ordnung sind. Die Wahrheit liegt wie so oft in der Mitte, und auch eine gesunde Lösung, die uns eine professionelle Tätigkeit ermöglicht.
Aber: Führt das nicht zu unnötigen Selbstzweifeln, wenn ich nicht zu 100% von mir selbst und meinem Können überzeugt bin? Eine legitime Frage, die auch in unseren Hypnose-Seminaren immer wieder gestellt wird. Und ein Sachverhalt, der etwas differenzierter beantwortet werden muss, wenn man eine vernünftige Antwort finden will.
Gesunde Selbstkritik für den Hypnotiseur
Die Erfahrung hat gezeigt: Vor der Sitzung darf man ruhig jeglichen Selbstzweifel vor der Praxistür abstellen! Die Klienten sollen Selbstvertrauen, Stärke und Vertrauen fühlen dürfen. Dies alles natürlich ehrlich und authentisch - deshalb bereit sich jeder gute Hypnotiseur auch wieder und wieder durch die Maltztechnik und die Selbsthypnose auf seine Sitzungen vor.
Nach der Sitzung wechseln wir wieder zurück in einen normalen Modus und legen unsere nahezu omnipotent anmutende Allmacht zugunsten einer gesunden Selbstkritik und -reflexionsfähigkeit ab. Wir denken vernünftig darüber nach: Was lief noch nicht so gut, was darf beim nächsten Mal besser laufen?
In einem Interview mit Neurochirurgen wurde dieses Raster übrigens genauso beschrieben: Die Topp-Chirurgen müssen vor dem Eingriff schon lange vor dem Zutritt zum OP jeglichen Selbstzweifel, Ängste, Eigenkritik ablegen. Nur so ist sichergestellt, dass sie die enorm präzisen Schnitte und Eingriffe am offenen Gehirn ihrer Patienten auch korrekt durchführen können. Nach der OP müssen sie jedoch zwangsläufig wieder zurück zu einem Modus der gesunden Selbstkritik wechseln. Der interviewte Neurochirurg meinte: "Kollegen, die keine Selbstkritik zeigen, können den Job nicht lange machen. Ihnen unterlaufen über kurz oder lang Fehler, die dann Leben kosten. Ebenso wie die Kollegen, die ihren Selbstzweifel in die OP mit reinbringen. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, vor und nach dem Eingriff ehrlich mit sich selbst ins Gericht zu gehen, während der Arbeit selbst dann aber 100% Selbstsicherheit zeigen und keinesfalls über eigene Fehler nachdenken. Dafür besteht nach einem solchen Eingriff noch mehr als reiflich Zeit."
Grundlage für eine solche Fähigkeit ein hohes Maß an Ehrlichkeit - sich selbst, aber auch seinem Klienten gegenüber. Kein Wunder, dass Ehrlichkeit auch ganz häufig mit Authentizität assoziiert wird!