Fünf Eigenschaften, die einen Hypnotiseur erfolgreich machen.

Hypnotiseur werden ist nicht schwer - Hypnotiseur sein dagegen sehr!
Ich hoffe, Sie nehmen es mir nicht übel, dass ich mich an dem altbekannten Spruch über das Vaterwerden vergriffen und ihn kurzerhand abgeändert habe. Aber: Er stimmt! Fast nichts ist einfacher, als Hypnotiseur zu werden. Selbst einem dressierten Affen könnte ich das wohl in einer knappen halben Stunde erfolgreich beibringen.
Doch es gibt einen großen Unterschied: Jemanden zu hypnotisieren - und jemanden mit Hypnose bei seinen Veränderungsprozessen zu unterstützen - das sind zwei paar Stiefel, wie sie unterschiedlicher nicht sein könnten.
Für den ersten Part genügt es, eine Induktion zu beherrschen. Das ist nicht weiter schwer: Man merkt sich ein paar Sätze, den dazu passenden Habitus - fertig ist die Trance. Wer von Haus aus nicht auf den Mund gefallen ist und sich traut, auf Menschen zuzugehen, wird hier nicht länger als eine Stunde brauchen, um zu lernen, wie man jemanden erfolgreich in Trance führt.
Bei zweiten Teil - mit Hypnose Veränderung bewirken - sieht das schon ganz anders aus. Hier ist das Beherrschen einer Hypnoseinduktion lediglich die Spitze des Eisbergs. Ein Coach oder Therapeut muss nämlich weit mehr beherrschen als nur jemanden in Hypnose versetzen zu können: Ich muss wissen, wie ich den für Veränderungsprozesse benötigten Rahmen schaffe. Ich muss blitzschnell guten Rapport erzeugen und auch halten können. Meiner Sprache kommt ganz große Bedeutung zu: Durch zielführende Fragen muss ich den Klienten dabei unterstützen können, erste Lösungsprozesse in Gang zu setzen. Last but not least brauche ich zwingend auch eine strategisch gut geschulte Denke, die es mir erlaubt, den Klienten zuverlässig durch sein Coaching oder auch seinen therapeutischen Veränderungsprozess zu führen.
All das lernt man nicht in einer Stunde oder an einem Wochenende. Gut: Es mag einige wenige Auserwählte geben, die solche Dinge von Haus aus beherrschen. Für alle anderen gilt jedoch: Wichtige Basisarbeit ist gefragt. Statt nur Techniken auswendig zu lernen, muss ich peu-a-peu erfahren, wie es sich anfühlt, als Coach oder Therapeut tätig zu sein. Es braucht Zeit, Schweiß und Geduld, die Schuhe des erfolgreichen Hypnotiseurs auszufüllen, wenn man nicht unnötig ins Straucheln geraten will. Fünf Eigenschaften sind hier meiner Erfahrung nach besonders wichtig:
1. Präsenz
2. Demut
3. Achtsamkeit
4. Flexibilität
5. Selbstvertrauen
Präsenz: Wirkung durch Persönlichkeit.
Einen Château Latour würden Sie vermutlich nicht im Pappbecher servieren wollen. Obgleich der Wein exzellente Qualität haben mag, wird der Geschmack sehr unter der mangelnden Präsentation leiden: Das Auge isst (bzw. trinkt) mit, das wissen wir alle.
Im Coaching oder der Therapie ist es nicht großartig anders. Selbst die beste Intervention verpufft in ihrer Wirkung, wenn sie nicht selbstbewusst in einem ihr gebührenden Rahmen vorgetragen wird. Ein Hypnotiseur muss nicht nur durch Knowhow, sondern vor allem auch durch seine Persönlichkeit überzeugen: Mein Klient muss mir vertrauen können und das Gefühl haben, in den Händen eines waschechten Experten zu sein. Dies klappt nur, wenn ich auch entsprechend selbstsicher auftrete, und trotz aller Professionalität immer noch Mensch bleibe.
Folgenden Maßstab lege ich persönlich an: Würde ich mit dem Coach oder Therapeuten auch privat gerne ein Gespräch führen - etwa bei einer guten Tasse Tee? Handelt es sich um jemanden, der lebt, was er predigt? Ist es jemand, der mit beiden Beinen fest im Leben steht und auch ohne Hypnose erfolgreich wäre - oder habe ich es schlimmstenfalls mit einer verkrachten Existenz zu tun, die die (relativ leicht zu erlernende) Hypnose lediglich mißbraucht, um sich selbst zu produzieren?
Ein guter Hypnotiseur muss zwangsläufig menschliches Format haben und Herz mit Verstand kombinieren. Präsenz, Charisma, Authentizität: Das macht einen guten Begleiter in Veränderungsprozessen aus. Die genutzten Techniken und Interventionen wollen natürlich wohlbeherrscht sein, sind dann aber vielmehr das sprichwörtliche Sahnehäubchen.
Demut: Der Mut, echt zu sein.
Schauen wir uns den Punkt Authentizität ruhig noch ein wenig näher an. Kleines Beispiel dazu gefällig?
Ich habe mir vor längerer Zeit mal einen Kongressmitschnitt angesehen, in dem eine vermeintliche Koryphäe etwas zum Thema onkologische Hypnose erzählt hat - also die (supportive) Therapie von Krebserkrankungen. Als das Publikum am Ende Fragen stellen durfte, kam der gute Mann etwas ins Schleudern. Es war offensichtlich, dass er kalten Fußes erwischt wurde und die Frage eigentlich gar nicht beantworten konnte. Eigentlich kein Beinbruch, aber: Er wollte diese Lücke auf Teufel komm raus nicht zugeben und stammelte sich mit Müh und Kraft durch die nächsten fünf Minuten. Am Ende stand ihm der Schweiß auf der Stirn und die Frage war immer noch unbeantwortet - nochmal nachfragen wollte dann aber verständlicherweise auch keiner.
Kurze Zeit später war ich in London auf einem Seminar mit Paul McKenna. 500 Leute im Publikum. Dann eine nicht ganz unähnliche Frage: Wie er denn eine Krebserkrankung mit Hypnose behandeln würde? McKenna: "Ich habe zwar schon einige Menschen mit dieser Erkrankung hypnotherapeutisch unterstützt, jedoch bei weitem nicht genug, um hier eine WIRKLICH fundierte Antwort geben zu können. Es tut mir leid. Ich kenne jedoch einige Kollegen, die sich exakt auf dieses Gebiet spezialisiert haben und stelle gerne den Kontakt her, wenn Sie wünschen - wollen Sie mich nach dem Seminar einfach nochmal persönlich ansprechen?"
Welcher der beiden Herren kommt nun authentischer - und damit zugleich vertrauenswürdiger und sympathischer - rüber? Keine Frage: McKenna hat durch seine ehrliche Antwort gepunktet. Auch, wenn er eine (vermeintliche) Wissenslücke eingestehen musste. Dabei hat er den Fragesteller noch nicht mal im Regen stehen lassen müssen, sondern hat proaktiv mitgedacht und eine gute Lösung gefunden.
Der Herr aus dem ersten Beispiel hingegen wollte wohl den Heiligenschein der Allwissenheit ungern verlassen - und hat fünf Minuten der Lebenszeit seines Publikums völlig sinnlos verschwendet. Zudem darf man voll zu Recht die Aufrichtigkeit dieses Experten hinterfragen - würde man sich hier vertrauensvoll in eine Behandlung begeben wollen? Wohl kaum!
Im Wort "Demut" steckt der Mut. Es braucht Mut und Selbstvertrauen, auch Schwächen eingestehen zu können. Wer das kann, zeigt damit jedoch wahre Größe - und ist vermutlich viel erfolgreicher als die Maulhelden, die angeblich alles können, aber dann doch den wenigsten Menschen wirklich helfen. Von dieser Kategorie finden wir im Internet mehr als genug: Auf alles haben sie eine Antwort, jedes Thema haben sie schon mal behandelt, für wirklich jeden Fall haben sie die passende Intervention parat. Dass hier weitaus mehr Schein denn Sein am Zug ist, erschließt sich häufig erst auf den zweiten Blick.
Achtsamkeit: Bühne frei für den Klienten!
Ein guter Hypnotiseur hat seine Augen, Ohren und sein Herz für den Klienten offen. Vor der Sitzung macht er sich Gedanken, wie er dem Klienten eine bestmögliche Qualität bieten kann. Nach der Sitzung fragt er sich, was er wohl besser machen hätte können - und welche Erfahrungen er für zukünftige Sitzungen mitnehmen kann.
Nur: Während der Sitzung macht sich der erfolgreiche Hypnotiseur überhaupt keine Gedanken über sich selbst - sondern ist mit hundertprozentiger Aufmerksamkeit bei seinem Klienten! Nur so kann er sicherstellen, dass ihm keine wertvollen Signale entgehen, die Aufschluss darüber geben könnten, welche Intervention für den Klienten wohl die Wirksamste sein könnte.
Ein Seufzen, ein Schlucken, die unwillkürliche Bewegung der Füße, oder auch eine Veränderung der Atmung - es gibt viele nonverbale Signale, die von überaus hoher Wichtigkeit sind. Diese kann ich erst dann vollumfänglich erfassen, wenn ich auch voll und ganz bei meinem Klienten bin.
Dies gilt im Gespräch genauso wie in der eigentlichen Trance. Ein guter Grund, nicht mit der Nase am Skriptheft oder an den eigenen Notizen zu kleben - wie will ich schließlich meinen Klienten beobachten, wenn ich gleichzeitig einen Text ablesen muss?
Flexibilität: Frei denken, frei handeln.
Survival of the fittest! Das "Überleben der am besten angepassten Individuen" geht auf den Briten Herbert Spencer zurück und wurde später von Charles Darwin für seine Evolutionstheorie übernommen. Eine Aussage, die nicht unumstritten ist - im Kontext der Hypnose jedoch einiges an Bedeutung gewinnt.
Auch in der Hypnose ernten die Kollegen mit der größtmöglichen Flexibilität in aller Regel die besten Ergebnisse. Heißt: Nicht nach Schema F oder Methode arbeiten, sondern feinfühlig die Bedürfnisse des Klienten wahrnehmen und entsprechend mit weiterführenden Angeboten reagieren. Und das bitte nicht erst in der eigentlichen Trance: Schon im Vorgespräch ist die Fähigkeit, möglichst frei und kreativ denken (und entsprechend handeln) zu können, überaus wichtig.
Gute Hypnosesitzungen sind ja auch immer eine Art Unterricht für das Unbewusste: Die berühmt-berüchtigten "Teaching Lessons for the Unconscious Mind". Wenn der Klient den Coach oder Therapeuten in voller Flexibilität erleben darf, kann er sich hier - ganz unbewusst - eine gute Scheibe abschneiden. Und somit eine erhöhte Flexibilität in die eigenen starren, festgefahrenen Handlungs-, Gefühls- und Denkmuster bringen.
Die drei Ebenen des (Selbst-)Vertrauens.
Selbstbewusstsein - schön und gut, aber häufig nicht mal die halbe Miete. Schließlich gibt es genug schräge Paradiesvögel, die nach Außen hin Wunder-was selbstbewusst wirken, tief im Innersten jedoch von den Dämonen des Selbstzweifels zerfressen werden.
Viel wichtiger: Echtes Selbstvertrauen! Etwas, das wir tief im Innersten unserer Selbst empfinden und nicht zur Schau tragen müssen. Selbstvertrauen heißt: Wissen, dass das, was wir tun, auch gut ist. Dass WIR gut sind - genauso, wie wir sind. Mit all unseren Stärken, aber insbesondere auch Schwächen. Niemand ist perfekt, niemand MUSS perfekt sein - viel wichtiger ist doch, dass wir uns selbst treu sind.
Und so sind mir persönlich die leisen, stillen Kollegen (mit vernünftigem Welt- und Menschenbild ausgestattet) viel lieber als die marktschreierischen Alleskönner, die nach Außen hin eine großartige Show abziehen und viele Menschen beeindrucken, jedoch jegliches Gefühl für ihr wahres Selbst verloren haben.
Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen: Wenn ich kein Vertrauen entwickeln kann, habe ich im Beruf des Coaches oder Therapeuten nichts verloren! Vertrauen geht nämlich immer in dreierlei Richtung:
Erstens muss ich mir SELBST vertrauen können - ich muss mir meiner Motive klar und bewusst sein, ich muss in gutem Kontakt mit mir selbst stehen.
Zweitens muss ich dem VERFAHREN mit dem ich arbeite, vertrauen können - das ist sehr wichtig, wenn ich gute Resultate erzeugen möchte. Zweifel kann hier jeden möglichen Erfolg schon im Keim ersticken.
Drittens muss ich aber auch dem KLIENTEN vertrauen können - all die für die gewünschte Veränderung benötigten Ressourcen bereits mitzubringen. "Schlau" genug zu sein, um von der Sitzung auch profitieren zu können. Nicht kaputt und damit reparaturbedürftig zu sein - sondern einen Menschen vor mir zu haben, der ein wenig Unterstützung und Wegbegleitung bei seiner Veränderung sucht.
Vertrauen ist nicht immer von Haus aus vorhanden - kann aber wachsen und gedeihen, wenn dies in einem wertschätzenden Umfeld geschieht. Wertschätzung können wir auch uns selbst gegenüber erbringen - in dem wir wohlwollend und aufbauend mit uns selbst kommunizieren. Uns immer öfters erlauben, gesunden Zweifel für unsere Wachstumsprozesse zu erkennen und zu nutzen - uns aber auch die Freiheit gönnen, übermäßigen Zweifel Stück für Stück abzulegen.
Dies kann in einem unendlich schönen Prozess der inneren Befreiung münden und macht uns nicht nur zu spitzenmäßigen Hypnotiseuren, sondern lässt uns auch menschlich ein großes Stück weit vorankommen.
Der Rhythmus der Hypnose.
Präsenz, Demut, Achtsamkeit, Flexibilität und Vertrauen (die Auflistung stellt übrigens keinen Anspruch, vollständig zu sein - selbstverständlich gibt es noch viele weitere Ressourcen, die wichtig sind) - fünf grundlegende Eigenschaften, die jeder in anderer Gewichtung mitbringt. Aber auch fünf Eigenschaften, die bei jedem wachsen und stärker werden können.
Genau das ist der Grund, warum unsere bewährteste Hypnoseausbildung - der HypnoPractitioner - über 10 Wochenenden (also 20 Präsenztage) auf ein knappes Jahr verteilt ist. Die eigentlichen Techniken könnten wir problemlos an wenigen Tagen am Stück vermitteln. Aber: Hypnose machen ist eben nicht Hypnotiseur sein, zumindest dann nicht, wenn man richtig gut sein möchte. Zu letzterem gehört nämlich wesentlich mehr als ein paar Techniken abzuspulen: Selbstvertrauen, Selbsterfahrung, reichlich Übung - und natürlich auch ein Gefühl für die Sache.
Tanzen könnten Sie theoretisch auch an wenigen Tagen am Stück lernen, wenn Sie sich auf eine einzelne Form beschränken. Aber macht das auch gleich zum guten Tänzer? Vielleicht - wenn Sie bereits ein gut ausgeprägtes Rhythmusgefühl mitbringen. Die meisten Menschen müssen jedoch erst ein Gefühl für den Rhythmus, vor allem aber auch für den Partner entwickeln: Tanzen ist keine Einbahnstraße, sondern ein Dialog zwischen zwei Menschen. Der eine mag zwar führen, muss sich aber immer noch auf die Reaktionen des Gegenparts einlassen und hier sorgfältig nachjustieren, um Schritt halten zu können.
Bei der Hypnose ist es nicht anders: Nur wer gelernt hat, die Reaktionen des Klienten achtsam erkennen und deuten zu können, kann gute Interventionen leisten. Das kann man nicht aus dem Lehrbuch lernen. In aller erster Linie braucht es: Übung - und Zeit! Ein guter Hypnotiseur wird man eben nicht mit dem Erlernen der Hypnose, sondern dadurch, dass man auch all den anderen wichtigen Bereichen seine Aufmerksamkeit schenkt.
Das kann in einem guten Hypnosekurs geschehen. Man kann aber auch selbst an wichtigen Ressourcen arbeiten: Zum Beispiel mit qualitativ hochwertiger Literatur. Als aktiver Partizipant im Improtheater. Im Kreativitätskurs an der Volkshochschule. Beim Yoga oder in der Meditation und Selbsthypnose. Es gibt unendlich viele Möglichkeiten: Der genaue Weg ist dabei nicht immer gar so wichtig.
Viel wichtiger ist: Sich selbst nicht mit Mittelmaß zufrieden zu geben, sondern den Anspruch haben, zu einem wirklich spitzenmäßigen Hypnotiseur zu werden! Wer dabei Augen und Ohren nach Möglichkeiten des persönlichen Wachstums offenhält, kann nur gewinnen.
Vielen Dank fürs Lesen!
[Bildnachweise: colourbox.com 11129602, 9994067, 7580321]