Haltung statt Methode: Gute Hypnose ist mehr als nur Intervention.

Was macht eigentlich eine gute Hypnosesitzung aus? Viele Hypnotiseure sind immer noch verunsichert, welche der diversen Hypnosemethoden und Hypnosetechniken nun die Beste ist. Fast immer lässt sich zwar ein Effekt erzielen, aber nicht immer stimmt auch das Langzeitresultat.
Mittlerweile weiß man: Gute Veränderungsprozesse werden nicht maßgeblich durch die Technik dirigiert, sondern durch weitere Faktoren - wie etwa der therapeutischen Grundhaltung in der Hypnose. Eine gute Gesamtstrategie scheint um ein vielfaches wichtiger zu sein, als eine konkrete Technik zum Einsatz zu bringen. Es lohnt sich also, einen genaueren Blick auf das Thema zu werfen.
Methode versus Strategie: Was macht die Hypnose aus?
In der Hypnose gibt es viele verschiedene Methoden, mit denen man arbeiten kann - wie z.B. die Suggestivhypnose, die Blockadenlösung, oder auch die Punktregression. Jede Methode hat ihre individuellen Stärken genauso wie ihre Schwachpunkte. Ein rein methodisches Vorgehen ist in aller Regel eher dogmatisch orientiert - im Mittelpunkt steht die Methode.
Auf der anderen Seite steht der pragmatische Ansatz, in dessen Mittelpunkt nicht die Methode - sondern der Klient mit seinem persönlichen Veränderungswunsch steht. Leitfaden für die Hypnose ist die gemeinsame Zielsetzung, aus der sich wiederum die genutzten Methoden ableiten. Dieser Ansatz erlaubt wesentlich mehr Flexibilität, da der therapeutische Auftrag sich nicht auf die genutzte Methode bezieht, sondern auf den formulierten Veränderungswunsch und die Zielsetzung.
Milton H. Erickson hat schon frühzeitig damit begonnen, sich von der methodenorientierten Hypnose abzuwenden und einen sehr pragmatischen, flexiblen und zielorientierten Ansatz anzubieten: Keine vorgefertigten Interventionen oder Methoden, sondern punktgenau das, was der Klient im jeweiligen Augenblick benötigt. Eines seiner berühmtesten Zitate bringt dies auf den Punkt:
A new therapy for a new client.
(Für jeden Klienten seine eigene, maßgeschneiderte Individual-Hypnose).
Es gilt also, individuelle Strategien für seine Klienten zu erarbeiten, und sich nicht von einer einzelnen Methode abhängig zu machen. Sprich: Die Methoden wollen gut gelernt und beherrscht sein, viel wichtiger ist es jedoch, eine hypnotherapeutische Grundhaltung zu entwickeln - geprägt von Empathie, Individualität, Zielfokussierung und Weitblick.
Nur: Warum sich so viel Arbeit machen - wenn es doch auch tatsächlich Techniken und Methoden gibt, die sich sehr rasch lernen lassen und vermeintlich fast immer und bei fast jedem funktionieren ... ??
Effekt ist nicht gleich Wirkung.
Ganz gleich, mit welcher Methode man auch arbeitet: Innerhalb der Sitzung tritt fast immer ein bemerkenswerter Effekt auf.
Nach einer Suggestivhypnose schwärmen die Klienten von der Tiefenentspannung, die sie erlebt haben.
Nach einer Regression sind sie erstaunt, welche starken Gefühle sie entdeckt und erlebt haben - oftmals begleitet von der einen oder anderen Träne.
Unmittelbar nach einer Blockadenlösung fühlen sie sich entlastet und befreit.
In manchem Fällen kann dies bereits das gewünschte Resultat nach sich ziehen. In anderen hingegen nicht. Es liegt am Hypnotiseur, dem Klienten den benötigten Rahmen zu bieten, um die Erfahrung authentisch nachwirken zu lassen. Fatal wäre es , dem Klienten den Effekt bereits als Wirkung zu verkaufen - und ihn in seiner kognitiven wie emotionalen Ambivalenz als "geheilt" nach Hause zu schicken. Im NLP ist das TOTE-Modell bekannt: Test, Operate, Test, Exit - das Ziel ist nur dann erreicht, wenn auch ausreichend Evidenz vorliegt, dass die Veränderung wie geplant und formuliert eingetreten ist. Dies lässt sich fast unmöglich innerhalb der Sitzung selbst prüfen, dementsprechend ist sowohl ein zeitlicher Abstand nötig, als auch die Möglichkeit, noch einmal in den Dialog zu gehen.
Entscheidend ist es also, die Arbeit mit dem Klienten - statt auf einer Methode . auf einer guten und stabilen Strategie aufzubauen: Wie wird gemeinsam überprüft, ob das Ziel (und wieviel davon) erreicht wurde? Wie kann Dialog auch nach der eigentlich letzten Sitzung noch stattfinden, wenn der Klient das Bedürfnis hierzu hat? Welche Feedback-Schleifen gibt es, und wie kann die Veränderungsarbeit selbst bei vermeintlichen Rückschlägen zu einem erfolgreichen Ende geführt werden?
Hier sind nicht einzelne Techniken gefragt, sondern die Kunst, diese auch in einem sinnvollen Zusammenhang setzen zu können. Wach zu sein für die Bedürfnisse des Klienten. Zu sehen und zu hören, was er braucht. Prozesse in einen eleganten Zusammenhang setzen zu können, so dass gilt:
So viel wie nötig - aber so wenig wie möglich!
Die moderne Hypnose wird in aller Regel zu den Ultrakurzzeit-Therapien gezählt. Die allermeisten Klienten sind Selbstzahler: Ewig lange Sitzungsstrecken, schlimmstenfalls über mehrere Jahre hinweg, sind weder finanziell noch zeitlogistisch das Gelbe vom Ei. Andererseits: Jeder Mensch ist anders, jeder Klient hat seine eigene Geschwindigkeit, in der er für Veränderungsprozesse offen und bereit ist. Hier gilt es nicht, seitens des Hypnotiseurs die Sitzungszahl vorzugeben, sondern diese im Dialog und mit Hinblick auf die individuellen Bedürfnisse des Klienten zu klären. Auch die Methode darf hier nichts diktieren. Hinzu kommt: Oftmals sind eigene Veränderungsprozesse lediglich im zeitlichen Rückblick mit etwas Abstand erkennbar; hier ist der Hypnotiseur umso mehr in der Verantwortung, die richtige Sitzungszahl, -dauer und auch -frequenz engmaschig mit dem Klienten abzustimmen.
Der Umstand, dass die Technik selbst weitaus weniger wichtiger ist, als man glauben möchte, wird mittlerweile übrigens auch von der modernen Wissenschaft bestätigt - mit beeindruckenden Zahlen:
Wirksamkeitsfaktoren von Veränderungsprozessen.
Nach einer 2013 von Lambert veröffentlichten Studie lässt sich die Wirksamkeit psychotherapeutischer Prozesse grob in folgende vier Bereiche unterteilen:
- Technik - die jeweils genutzte Interventionsart - trägt mit 15% zum Ergebnis bei
- Erwartungshaltung - der positive Placebo-Effekt / wie sehr der Klient davon überzeugt ist, dass die Therapie zu der gewünschten Veränderung führt - trägt mit 15% zum Ergebnis bei
- therapeutischer Bezugsrahmen - der Rapport und die therapiebegleitenden, allgemeinen Faktoren - tragen mit 30% zum Ergebnis bei
- Klientenressourcen - Dinge, die der Klient bereits mit in die Therapie bringt, oder die im therapeutischen Verlauf utilisierbar gemacht werden - tragen mit 40% zum Ergebnis bei
Dass Erwartungshaltung, Klientenressourcen und Rapport einen großen Teil des Resultats ausmachen, verwundert nicht weiter. Erstaunlich aber: Die konkret genutzte Technik trägt nur mit marginalen 15% zum Gesamtergebnis bei!
Den Löwenanteil machen also definitiv Bezug (Rapport), Klientenressourcen und Erwartungshaltung aus. Alles Dinge, die sich nicht über das Praktizieren einer Technik erreichen lassen - sehr wohl aber über die intensive Arbeit an sich selbst und an seinen eigenen, therapeutischen Ressourcen.
Für den Hypnotiseur ergibt sich daraus eine logische Schlussfolgerung: Techniken alleine helfen kaum einem Klienten weiter. Zumindest dann nicht, wenn man langfristig solide Veränderung und nicht nur Kurzzeit- oder Überraschungseffekte anbieten möchte. Techniken sind zwar wichtig und müssen gut gelernt, häufig trainiert und ausreichend selbst erlebt worden sein, so dass sie wirklich sitzen und nach Bedarf mit Leichtigkeit zur Anwendung gebracht werden können. Viel wichtiger ist jedoch, dass der Hypnotiseur selbst eine gute, therapeutische Grundhaltung entwickelt. Versteht, wie er guten Rapport aufbauen kann. Weiß, wie er Klientenressourcen herausarbeiten und nutzbar machen kann. Und wie er Sitzungsstrecken kreativ und mit Feingefühl gestaltet.
Kurzum: Der moderne Hypnotiseur benötigt eine lebendige Philosophie für seine Arbeit. Er muss nicht nur Werkzeuge zum Einsatz bringen, sondern - wie Architekt, Bauleiter und Handwerker in Personalunion - den gesamten Prozess der hypnotischen Arbeit punktgenau steuern können.
Haltung & Ethos: Kennzeichen professioneller Hypnotiseure.
Richtig gute Hypnotiseure müssen ihre Techniken tadellos beherrschen und zum Einsatz bringen können. Dies lernen sie in fundierten Ausbildungen sowohl durch die theoretische Bearbeitung, als auch durch viel Praxis, in der sie das Handwerkszeug bis zur Perfektion üben. Die Technik ist also sicherlich wichtig - aber eben bei Weitem nicht das Wichtigste!
Professionelle Hypnotiseure ...
- machen sich nicht von Methoden abhängig - sondern arbeiten ziel- und klientenzentriert
- sind nicht Techniker, sondern Strategen
- überzeugen nicht durch ihre Methode, sondern durch ihre durchdachte Grundhaltung
- lassen ihren Klienten die Zeit, die sie selbst für ihre Veränderung benötigen - und drängen oder nötigen nicht
Die moderne Hypnose glänzt durch ihre Individualität und die Konzepte der Flexibilität und des Utilisierens. Gute Gründe, sich vom reinen Methodentum abzuwenden und stattdessen mit Haltung, Ethos und Weitblick an die Sitzungen ranzugehen! Klienten werden nicht mit Zwang in die Methode gepresst, sondern profitieren von Feedbackmöglichkeiten, Authentizität und ausgeklügelten Strategien - um wirklich nachhaltige Veränderung zu erleben.